«Das bleibt schottisch nebulös»
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«Das bleibt schottisch nebulös»

Bühne Oper
Veröffentlicht am 20.12.2023
Helen Lagger
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Roger Vontobel inszeniert Shakespeares «Macbeth» für Bühnen Bern als düsteres Kriegsepos. Die Bühnenfassung schrieb Shakespeare-Expertin Elisabeth Bronfen. Im Zentrum steht die Frage: Wie viel dieses Geschehens ist real?

Macbeth, treuer Vasall des Königs, trifft drei Hexen. Diese prophezeien ihm, er werde selber König werden. Das ist die Ausgangslage in Shakespeares Tragödie, die mit Mord und Totschlag endet. Von seiner Frau, Lady Macbeth, angetrieben, wird Macbeth zum Mörder und Tyrannen. Die Erstaufführung von «Macbeth» wird um 1611 verortet. William Shakespeare verknüpfte in seinem Stück historische Fakten über den Schottenkönig Macbeth mit Übernatürlichem. Nun nimmt sich Bühnen Bern des überzeitlichen Dramas an.  Roger Vontobel, Direktor der Schauspielsparte, inszeniert das Stück in Kooperation  mit den Ruhrfestspielen und dem Theater Winterthur in einer Fassung der Shakespeare-Expertin und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen.

Vontobel versteht Macbeth als ein Trauma, das sich Bahn bricht. Umbruchsstimmung herrsche, Blutrachen zwischen Clans seien an der düsteren Tagesordnung. «Dieser Kriegszustand hat mich interessiert.» Macbeth sei ein Kriegsversehrter, ein Söldner. «Er trägt viele Verletzungen mit sich und hat einem System gedient, ohne die Chance, jemals selbst zu Macht zu kommen.»

«Wie viel dieser Kreaturen steckt breits in Macbeth, wie viel fährt in ihn rein?»
— Roger Vontobel, Regisseur

Der 61-jährige deutsche Theater- und Filmschauspieler Werner Wölbern verkörpert Macbeth in einer Gastrolle. Die anderen Figuren werden durch Ensemble-Mitglieder dargestellt. «Es war mir wichtig, Macbeth mit einem älteren Schauspieler zu besetzen», so Vontobel. Bei Shakespeare gehe es immer auch um Genealogie, darum, was man hinterlassen und weitergeben möchte. «Macbeth ist am Lebensabend und kinderlos. Das ist Teil seines Psychogramms.» Dass man sich in einem Kriegsgebiet befindet, wird auf der zeitlosen Bühne von Fabian Wendling durch die häufige Abwesenheit von Licht dargestellt. «Der Mord, den Macbeth begeht, ist ein Frevel an der göttlichen Ordnung. Ab diesem Moment ist die Sonne weg», so Vontobel. Die Hexen könne man als innere oder äussere Dämonen und Projektionsflächen deuten. «Wie viel dieser Kreaturen steckt bereits in Macbeth, wie viel fährt in ihn rein? Das bleibt schottisch nebulös.» 

Rock-Kulisse für Antihelden

Mit dem irischen Musiker, Tongestalter und Komponisten Keith O’Brien verbindet Vontobel bereits eine längere Zusammenarbeit. Für Macbeth steuert O’Brien nun einen düsteren Rocksound bei. Die Darsteller*innen werden vereinzelt Lieder singen. In diesem dunklen Reich tappt der Antiheld im Dunkeln. «Macbeth ist eine tiefgründige Figur voller Zweifel», so Vontobel. Im Gegensatz zu anderen Figuren in Shakespeares Königsdramen hinterfrage er sein Tun. Für Vontobel ist die Frage, ob das Geschehen tatsächlich real ist, zentral. Erlebt Macbeth das alles wirklich, oder als Trauma, immer wieder von Neuem?

Artikel des/derselben Autor:in
Helen Lagger
Freie Autorin

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