Meine Kathedrale aus Kristall
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Meine Kathedrale aus Kristall

Ausstellungen & Kulturerbe
Veröffentlicht am 03.07.2025
Susanne Leuenberger
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Ein kühler Kraftort: Wenn das Leben oberirdisch zu heiss wird, lockt die vielleicht kühlste Schatzkammer Berns mit Schönheit aus dem Erdinnern. Zu finden im Souterrain des Naturhistorischen Museums.

Wenn die Sonne so unerbittlich glüht wie gerade, überkommt mich die Fantasie, ins Erdinnere zu fliehen: Ich sehe eine gigantische Kathedrale aus Kristall. Kühl, luftig, erhaben und vom schwindelerregenden Echo eines vielstimmigen Zwergenchors erfüllt. Ob es diesen Ort jenseits von Schweiss, Durst und gleissendem Überdruss gibt? Immerhin Fundstücke meiner Fata Morgana gibts im Naturhistorischen Museum Bern zu bestaunen. Und zwar im angenehm kühlen Untergeschoss, in dem die mineralogische Sammlung darauf wartet, für die Besucher*innen zu funkeln. Das buchstäbliche Highlight: Die abgedunkelte Schatzkammer mit den Riesenkristallen vom Planggenstock.

Vermutlich wird mich das brütende, oberirdische Leben auch diesen Sommer in die kristalline Unterwelt locken.

Die zwei Tonnen Bergkristalle, die von innen zu strahlen scheinen, machen mich demütig. Wie es den Steinen im Licht der Welt wohl geht? Dass sie wirklich an die Oberfläche und hinter museale Vitrinen kamen, hat mit zwei sehr zupackenden Visionären zu tun. Die beiden Strahler Franz von Arx und Paul von Känel pickelten sich 16 Jahre lang durchs Urner Bergmassiv, bis sie auf den Hohlraum stiessen, der die Kristallgruppen barg. Am Ende der Schatzkammer dokumentiert ein filmisches Porträt die zwei Getriebenen bis zum Moment des Funds. Ich weiss nicht, wie oft ich mir den 20-Minüter schon ansah, der ihre geteilte Obsession, aber auch ihre rührende Freundschaft einfängt. Vermutlich wird mich das brütende, oberirdische Leben auch diesen Sommer in die kristalline Unterwelt locken. Mein Kraftort.

// Naturhistorisches Museum Bern

Dauerausstellung

www.nmbe.ch

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Susanne Leuenberger
Susanne Leuenberger
Redaktionsleiterin

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