Shakespeare meets Lennon
Die Zürcher Sing-Akademie sucht im Yehudi Menuhin Forum den Weg zum Herzen. Leiter Florian Helgath hat dafür ein vielseitiges A-capella-Programm konzipiert.
Wenn William Shakespeare und John Lennon im selben Konzertprogramm stehen, muss man fast genauer hinschauen – oder hinhören. Genau diese Verbindung stellt nämlich die Zürcher Sing-Akademie – ein professionelles Gesangsensemble unter der künstlerischen Leitung von Florian Helgath – in ihrem kommenden Auftritt her. Und man fragt sich: Was ist der Zusammenhang? Die einfache Antwort lautet: Shakespeare und Lennon haben Texte geschrieben, die «ins Herz hinein» gehen. So lautet der Titel des Konzerts, das neben den englischen Popstars aus dem 16. und 20. Jahrhundert weitere kulturhistorische Querverbindungen herstellt.
Ausgangspunkt ist Johannes Brahms’ «Nachtwache I». Gemeinsam mit Robert Schumanns «An die Sterne» bildet es das Herzstück des musikalischen Abends, der von Florian Helgath, dem künstlerischen Leiter der Sing-Akademie, zusammengestellt wurde. Hier ist die Verbindung offensichtlich: Die deutschen Romantiker haben beide jeweils einen poetischen Text von Friedrich Rückert vertont. Brahms trifft auf ein weiteres Pendant im Konzert, nämlich Beat Vögeles «Naht zur Nacht» – eine Auftragskomposition des Schweizer Komponisten, die von der Sing-Akademie uraufgeführt wird und die mit der räumlichen Dimension von Vokalmusik spielt.

Werkpaare und Friedensbotschaften
Und auch zu Schumanns Gesang findet sich ein zeitgenössisches Echo im Programm – Cyrill Schürchs «Song of the Star». Während «An die Sterne» den sehnsüchtigen Blick von der Erde nach oben richtet, kehrt der Luzerner Komponist Schürch die Perspektive um. Von den Weiten des Alls aus betrachtet, erscheint die Erde losgelöst von irdischen Gesetzen. Es geht dabei insbesondere um das Prinzip der Sphärenharmonie – eine antike Theorie von Pythagoras, nach der die Bewegungen der Himmelskörper Töne erzeugen, deren Zusammenklänge denselben Regeln folgen wie die Musik auf der Erde.
Ein weiteres Werkpaar im Programm sind Alma Mahlers «Bei dir ist es traut» (in einer Bearbeitung für zehn Stimmen von Clytus Gottwald) und das «Liebes-Lied» des 1962 geborenen deutschen Komponisten Wolfram Buchenberg. In beiden Stücken geht es laut Florian Helgath um die leise, tief empfundene Liebe zwischen zwei Menschen – «nicht dramatisch aufgeladen, sondern ruhig und nach innen gekehrt». Und beide Gesänge basieren auf Gedichten von Rainer Maria Rilke – das passt, hatte Rilke doch einen für seine Zeit eher liberalen Begriff von Liebe, der sich nicht an Besitzansprüchen, sondern vielmehr an der gegenseitigen Rücksichtnahme auf Freiheiten orientierte.
Und Shakespeare und Lennon? Ersterer ist vertreten in Frank Martins «Songs of Ariel» – Helgaths «heimliches» Lieblingsstück in diesem Programm: «Für mich ist es eines der besten A-cappella-Stücke überhaupt», sagt er. Es bilde alle emotionalen Facetten ab und sei sehr expressiv und klangschön. Luftgeist Ariel, dem Shakespeare die Texte in den Mund legt, bringt in «Tempest» den Frieden. Den wünscht sich auch Lennon in seiner zeitlosen Hymne «Imagine», die die Sing-Akademie in einem Chor-Arrangement von Stefan Behrisch interpretiert – und das Helgath als Statement verstanden haben möchte: «Die meisten haben den Song schon oft gehört, aber seine Botschaft ist aktueller denn je.»
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit der Zürcher Sing-Akademie.